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AUSSTIEG aus der rechtsextremen Szene
Der Ausstieg aus der rechtsextremen Szene ist alles andere als einfach und oftmals nicht ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Es braucht viel Kraft und Durchhaltevermögen, um den Prozess des Ausstieges bis zum Ende fortzuführen und trotz möglicher Rückschläge und Verzögerungen ans Ziel zu gelangen. Am Anfang steht dabei immer der persönliche Wille, die Szene zu verlassen. Ob nun erste Irritationspunkte durch Zweifel an der Richtigkeit der rechtsextremen Ideologie und des propagierten Menschenbildes entstehen oder der Wunsch nach einer eigenen Familie und einem gesicherten Einkommen in den Vordergrund rückt, ist dabei weniger relevant.
Einige AussteigerInnen erzählen von ersten Irritationsmomenten, wenn es um die eigene Familiegeht. Möchte ich mein Kind wirklich so erziehen? Ist es sicher in diesem Umfeld? Sollte es sich nicht frei entwickeln können?
Partnerschaftlichen Beziehung innerhalb der Szene sind schwierig zu realisieren, denn Frauen sind in der Unterzahl. Daher ist es schwierig für männliche Szeneangehörige, eine gleichgesinnte Partnerin zu finden. Wenn die Partnerin nicht szenezugehörig ist, begünstigt dies einen Ausstieg. (vgl. Pfeil, Dr. phil. Christian; 2017: S. 52) (Pull-Faktor, vgl. Irritationsmomente)
Andere nennen die zunehmenden Straftatenals Zweifel an der Szenezugehörigkeit. Möchte ich wirklich ständig für andere in Haft? Würden meine Kameraden dasselbe für mich tun? Warum ist plötzlich keiner mehr für mich da, während meiner Haftzeit? War es das wirklich wert?
Die Diskrepanz von Wertender Szene und dem tatsächlichen Erleben ist groß und sorgt bei einigen für Verwirrung. Was den Mitgliedern in der Szene versprochen und anfangs auch vorgelebt wird, ist nicht von langer Dauer. Das Gruppenzugehörigkeitsgefühl und die Einzigartigkeit der Szene wird hauptsächlich nur in positiven Zeiten gelebt. Gibt es Schwierigkeiten innerhalb der Szene, steht man schnell allein da.
Hinzu kommt die Frustrationüber den ausbleibenden politischen Erfolg. (vgl. Pfeil, Dr. phil. Christian; 2017: S. 51) Ständige Demos, Kundgebungen oder allgemeine Öffentlichkeitsarbeit der verschiedenen rechten Organisationen/Parteien bringen nicht die gewünschten Ergebnisse. Zudem wird man gesellschaftlich immer weiter ausgegrenzt.
Kommt es zu positiven Erfahrungenmit einem sogenannten „Feindbild“ (‚Linke‘, MigrantInnen, PolizistInnen, Menschen anderer Hautfarbe, Religion, Kultur), kann dies die Irritationen noch verstärken. (vgl. Pfeil, Dr. phil. Christian; 2017: S. 53) Allerdings reicht bei diesem gefestigten Weltbild eine einzelne positive Erfahrung nicht aus, um einen Ausstiegsprozess einzuleiten, aber eventuell regt es zum Überdenken der eigenen Einstellung an.
Die hier aufgezählten möglichen Ausstiegsgründe verursachen nicht den sofortigen Ausstieg. Dieser entwickelt sich meist über Jahre hinweg. Aber wenn die ersten Zweifel auftreten, wird es für die Ausstiegswilligen kompliziert. In der Szene sind sie VerräterInnen, nämlich am deutschen Volk, weil sie dem Volk - im Sinne einer auf Rassismus gegründeten Gemeinschaft – den Rücken kehren. Als Ausstiegswillige verfügen sie über Täterwissen, stellen damit eine potenzielle Gefahr für die Szene dar und gelten daher als VeräterInnen. Einige versuchen mit Ausreden Abstand zur Szene zu halten und sich nach und nach zurückzuziehen, was aber nicht immer gelingt. Außerdem ist es für die Ausstiegswilligen nicht einfach, in die zivilgesellschaftlichen Strukturen zurückzufinden. Die Vorstrafen erschweren es zudem deutlich, ein normales Leben zu führen. Hinzu kommt die Angst vor den ehemaligen „KameradInnen“. In einigen Fällen werden Ausstiegswillige von der ehemaligen Szene bedroht.
Ihnen können Hilfeeinrichtungen beratend zur Seite stehen. Die Ausstiegarbeit widmet sich verschiedenen Themen, um die Ausstiegswilligen wieder in die Zivilgesellschaft zu integrieren. Dabei ist die Bearbeitung der Straftaten, der Ideologie und Gewalt ein wesentlicher Bestandteil (vgl. Thema Gewalt). In großen Krisen, wie auch Bedrohung durch die Szene, wirkt die Ausstiegsarbeit begleitend und unterstützend.
Quellenverzeichnis
- Pfeil, Christian;Zur Entwicklung von Ausstiegsmotiven aus rechtsextremen Szenekontexten; in: Timo F. Neonazi, Begleitmaterial zur Biografie Neonazi von TimoF.; Landeszentrale für politische Bildung; 2017.