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TATTOOS als politische Statements
Nach einer Umfrage in Deutschland besitzen im Jahr 2018 rund 20 % der hier lebenden Menschen ein Tattoo (vgl. Zeller, Nadine; 2018). Dabei ist die Anzahl von Menschen mit Tattoos besonders im letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Tattoos gehören in Deutschland zu einer alltäglichen Erscheinung.
Ob als medizinische Behandlung, wie bei der 5300 Jahre alten Gletschermumie „Ötzi“ oder als rituelles oder religiöses Zeichen – Tätowierungen sind so alt wie die Menschheit selbst. In der heutigen Zeit dienen sie vorrangig als Zeichen der Einzigartigkeit, individuellen Abgrenzung, aber auch als politisches Statement.
Werden Tätowierungen als politisches Statement verwendet, erfüllen sie gleich mehrere Funktionen. Werden sie offen getragen und sind damit sichtbar, dienen sie in erster Linie als Erkennungs- und Zugehörigkeitsmerkmal zu einer Gruppe. Von verdeckt getragenen Tätowierungen hingegen wissen nur die TrägerInnen selbst. Sie dienen daher eher der Bestärkung und Bekräftigung der eigenen Person und haben damit eine besonders hohe identitätsstiftende Funktion. Im Bereich Rechtsextremismus gehören beide Formen fest zur Erlebniswelt, die ähnlich wie gemeinsame Aktionen der Gruppe der Gemeinschaftsbildung dienen (vgl. Klare, Heiko/Strum, Michael; 2016: 196).
Die beim Tätowieren verwendeten Zeichen und Symbole sind dabei äußerst unterschiedlich und wandlungsfähig. Vorrangig spielen die Tattoos auf die rechtsextreme Ideologie und ihre historisch-mythologische Herleitung an. So haben die am häufigsten verwendeten Motive einen Bezug zur nordischen Mythologie, zur Gewalt oder zu Kennzeichen des III. Reiches. Sie werden aber nicht selten in abgewandelter Form verwendet, um Bestrafungen durch den Gesetzgeber zu vermeiden.
Denn eine Besonderheit der in Deutschland herrschenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist es, Meinungsfreiheit als ein sehr hohes Gut zu betrachten, aber in Bezug auf menschenverachtende Ideologie ihren wehrhaften Charakter zu zeigen. Dafür stehen die im Strafgesetzbuch verankerten Paragrafen §86/§86a und § 130. Nach diesen können Parteien und Vereinigungen mit dem Verweis auf ihre demokratiefeindliche, menschenverachtende Gesinnung verboten werden. Dieses Verbot gilt dann auch für die von ihnen verwandten Zeichen und Symbole. Die wohl bekanntesten Zeichen sind dabei das Hakenkreuz und die SS-Rune.
Um diesem Verbot zu entgehen, wandelt die rechtsextreme Szene diese Zeichen und Symbole so ab, dass ihre Strafbarkeit hinfällig wird und sie trotzdem noch als Symbole einer nationalistisch-rassistischen Ideologie erkennbar bleiben. So verwendet die Szene beispielsweise verschiedene Abwandlungen von Triskelen (zum Beispiel drei angeordnete Spiralen). Da Triskelen auch in anderen Zusammenhängen von Personengruppen ohne rechtsextremen Hintergrund genutzt werden, ist das Erkennen rechtsextremer Szenemitglieder an ihren Tätowierungen manchmal nur in einer Gesamtschau der getragenen Zeichen und Symbole möglich. So kann die Tätowierung einer Abbildung von Mjölnir (der magische Waffe Thors), für sich allein betrachtet, auch einen Anhänger der Heavy Metal-Szene oder Dark-Wave-Szene ausweisen. In Verbindung mit anderen eindeutigen Zeichen kann dieses Tattoo jedoch auch die rechtsextreme Gesinnung erkennbar machen. Tätowierungen erzählen einen Teil der Lebensgeschichte ihrer TrägerInnen. Zu manchen Tatoos distanzieren sie sich in späteren Lebensphasen, da sie nicht mehr mit der eigenen Lebensauffassung oder dem modischen Geschmack in Einklang gebracht und als „Jugendsünden“ bezeichnet werden. AussteigerInnen aus der rechtsextremen Szene distanzieren sich im Verlauf ihres Ausstiegsprozesses von ihrer Ideologie, ihre Tätowierungen aber weisen sie trotz Ausstieg immer noch als AnhängerInnen dieser Szene aus. Sie sind so – ob sichtbar oder unsichtbar – ihr Leben lang als Rechtsextremisten zu erkennen und ihre Tätowierungen können nicht als „Jugendsünden“ gelten. Deshalb erarbeitet die Ausstiegsberatung zusammen mit ihren KlientInnen ein Konzept, das ein Übertätowieren (Covern) oder Entfernen (Lasern) ermöglicht. Erst dann ist ein weiterer, wichtiger Schritt im Ausstiegs- und Distanzierungsprozess vollzogen.
Quellenverzeichnis
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Klare, Heiko/Strum, Michael: Extreme rechte Aktionsformen mit vornehmlicher Wirkung nach innen, in: Virchow, Fabian/Langebach, Martin/Häusler, Alexander: Handbuch Rechtsextremismus, Springer VS, Wiesbaden, 2016.
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Nadine Zeller: Der Beweis liegt auf der Haut, April 2018, aus https://www.sueddeutsche.de/wissen/rechtsmedizin-der-beweis-liegt-auf-der-haut-1.3924654?reduced=true (abgerufen am 07.09.2018)